Maurizio Marogna *
Die sublinguale Immuntherapie (SLIT) hat in vielen europäischen Ländern breite Akzeptanz gefunden und das Interesse an der Immuntherapie bei praktizierenden Allergologen und Allgemeinmedizinern gesteigert. SLIT wurde erstmals im Positionspapier der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 1998 als praktikable Alternative zur subkutanen Immuntherapie (SCIT) anerkannt und dann in die ARIA-Richtlinien aufgenommen. Seit 1986 wurden 60 DBPC-RCT-Studien veröffentlicht. Es scheint zwei unterschiedliche und möglicherweise aufeinanderfolgende immunologische Reaktionen auf SLIT zu geben; die Bildung von regulatorischen T-Zellen (Tregs), die Interleukin (IL)-10 und transformierenden Wachstumsfaktor (TGF)-β absondern, und eine Abweichung des Immunsystems von Th2- zu Th1-Reaktionen. Die verfügbaren Metaanalysen sprechen für SLIT (Rhinitis und Asthma bei Erwachsenen und Kindern). SLIT scheint besser verträglich zu sein als SCIT: Es wurden einige Fälle von SLIT-bedingter Anaphylaxie gemeldet, jedoch keine Todesfälle. SLIT kann den natürlichen Verlauf einer Atemwegsallergie verändern, indem es das Auftreten neuer Hautsensibilisierungen verhindert und/oder das Risiko eines Asthmaanfalls verringert. Die klinischen Auswirkungen von SLIT treten nicht unmittelbar ein wie bei herkömmlichen Medikamenten (z. B. Bronchodilatatoren oder Antihistaminika), aber die Immunmodulation ist tiefgreifend und langanhaltend (für 5-8 Jahre nach Absetzen). Spezielle SLIT-Indikationen bestehen in der täglichen klinischen Praxis bei den folgenden Patienten: Patienten, die mit optimaler Pharmakotherapie nicht kontrolliert werden können, bei denen Medikamente unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen, die an mittelschwerer bis schwerer Rhinitis mit mittelschwerer bis schwerer nasaler Eosinophilie leiden, verbunden mit unspezifischer bronchialer Überempfindlichkeit (BHR) und/oder Asthma bronchiale.